Die fünfte Kolonne Wladimir Putins!
So sieht sie also aus. Denn so hat der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Alexander Lambsdorff, uns Ostermarschierer beschimpft.
Und heute war im Südkurier zu lesen, wir seien unterwandert und würden russische Propaganda verbreiten. Das sagt der Baden-Württembergische Innenminister Strobl.
Das sind unerhörte Verzerrungen dessen, wofür wir als Friedensbewegung stehen.
Aber: Wir lassen uns in unserem Eintreten für den Frieden nicht irre machen.
Wir, die Friedensbewegung, verurteilen diesen Krieg, den Russland mit dem Einmarsch in die Ukraine begonnen hat. Der Angriff auf ein unabhängiges Land ist durch nichts zu rechtfertigen. Er verletzt das Völkerrecht, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der vielen Opfer. Er bringt, wie jeder Krieg, nichts als Zerstörung und Leid. Und wir fordern von Präsident Putin:
Beenden Sie diesen verbrecherischen Krieg !
Die Verantwortlichen für diesen Krieg – das gleiche gilt natürlich für die Verantwortlichen all der anderen Kriege, die geführt werden und wurden: In Syrien und Libyen, im Jemen, in Afghanistan und auch im Irak – gehören als Kriegsverbrecher vor den Internationalen Strafgerichtshof.
In all diesen Kriegen sterben Menschen, werden Menschen für den Rest ihres Lebens verstümmelt und traumatisiert. In all diesen Kriegen gab und gibt es Gräueltaten, Massaker und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Wie in jedem Krieg, in jedem Streit gibt es immer mindestens zwei Seiten, mindestens zwei Sichtweisen. In diesem Krieg müssen auch wir, muss auch der Westen sich fragen lassen: Wurde alles getan bzw. unterlassen, um ihn zu verhindern?
Und ja, es stimmt, was die Juristen von IALANA in einem offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben haben: Dieser Krieg hätte verhindert werden können, und er hätte verhindert werden müssen. Von beiden Seiten mangelte es am Willen, vielleicht auch am Vermögen, das zu tun.
Hätte der Westen seine Zusage eingehalten, Russland in das gemeinsame Haus Europas zu integrieren, von dem Michail Gorbatschow und Helmut Kohl geträumt haben. Hätte man die NATO, anstatt sie gegen alle Zusagen, gegen den Geist der Entspannungspolitik, der vor 30, 35 Jahren herrschte, nicht schrittweise auf Russland hin erweitert, sondern hätte man die Chance, als sich der Warschauer Pakt aufgelöst hat, genutzt und die NATO samt ihrer kriegerischen Logik eingemottet und aufgelöst. Und hätte man stattdessen auf dem Boden der OSZE ein gemeinsames Konzept der Sicherheit in Europa entwickelt, das die zuvor – und nun wieder – verfeindeten Seiten gleichermaßen einbezieht.
Wenn wir so aus dem Denken des Kalten Krieges herausgekommen wären, dann würde sich die jetzt zur Verhandlung stehende Frage nach der Neutralität der Ukraine gar nicht stellen. Und dann gäbe es heute keinen Krieg.
Stattdessen hat man zugesehen, wir alle konnten zusehen, wie die Spannung immer weiter anstieg.
Ja, der kriegerische Einfall der russischen Armee in die Ukraine ist ein Verbrechen. Aber die aktuelle Politik – auf beiden Seiten – droht diesen Krieg in eine Dimension eskalieren zu lassen, die wir uns alle nicht vorstellen wollen.
Dem Herrn Lambsdorf von der FDP, den Grünen - die früher mal zu uns, zur Friedensbewegung gehört haben, und der SPD rufe ich zu: Sehen ihr nicht, worauf die Politik, die ihr betreiben, zuläuft?
Die bereits erfolgten Waffenlieferungen, noch mehr die jetzt geforderten Lieferungen von schweren Waffen, heizen diesen Krieg an, anstatt dass endlich ein Waffenstillstand ausgehandelt wird und das Töten aufhört.
Und: Die Waffenlieferungen machen uns zur Kriegspartei. Schrittweise werden wir in diesen Krieg hineingezogen. Auf beiden Seiten werden immer mehr Rote Linien übertreten, die Spirale wird immer weiter angetrieben.
Wenn das nicht aufhört, dann entsteht hier, wie 1914 und 1939, wieder ein ganz großer Krieg. Nur diesmal mit Atomwaffen, mit globaler Zerstörung und der realen Gefahr des Endes der menschlichen Zivilisation.
Meine Organisation, die IPPNW, hat schon vor 8 Jahren eine Studie veröffentlicht. Wissenschaftlich belegt durch KlimatologInnen und ErnährungsexpertInnen. Die steht im Internet, das kann man sich runterladen und anschauen, wenn man es denn wissen möchte.
Suchwort: nuclear famine
Schon der begrenze Einsatz einer relativ kleinen Zahl von Atomwaffen würde zu weltweiten signifikanten Klimaveränderungen führen, die dann auf dem gesamten Globus Hungersnot und Elend zur Folge haben und bis zu 2 Milliarden Menschen dem Hunger aussetzen.
Was aber droht, ist ein deutlich umfangreicherer Einsatz von Atomwaffen. Im entfesselten Atomkrieg gibt es am Ende keine Gewinner.
Ich sage das nicht aus dem hohlen Bauch, das sind belegbare Tatsachen. Auch wenn jetzt versucht wird, das zu verharmlosen. Das dumme Gerede von der Führbarkeit eines Atomkrieges, von Zivilschutz und Atombunkern ist gefährlicher Unsinn.
Im Atomkrieg gibt es keinen Schutz mehr, es gibt z.B. keine wirksame Behandlung der Strahlenkrankheit. Als Ärztinnen und Ärzte müssen wir sagen:
Wir werden Euch – und uns – nicht helfen können!
Dann sind die Millionen von unmittelbaren Opfern die Glücklichen, dann werden die Lebenden die Toten beneiden.
Das ist die Dimension, um die es hier geht, das muss uns allen mal klar werden.
Und dann dämmert uns:
Wo immer wir in dieser Situation stehen. Ob Ukrainer oder Russen, ob wir aus Westeuropa kommen oder den USA. Ob wir für robustes Eintreten oder fürs Verhandeln sind: Jetzt geht es darum, ob wir das gemeinsam überleben.
Deshalb rufe ich von hier aus nach Berlin. Herr Scholz, Frau Baerbock: Überlegen Sie sich Schritte, die zur Deeskalation führen. Überlegen Sie sich, ob die Worte, die Sie sprechen, die Waffen, die Sie liefern, ob die Destabilisierung Russlands mithilfe von Wirtschaftssanktionen, ob all das nicht dazu beiträgt, diesen Krieg immer weiter anzuheizen. Und ob es nicht gelingen kann, Brücken zu bauen, anstatt sie nun alle einzureißen.
Und unterschreiben Sie endlich den Atomwaffenverbotsvertrag!
Es ist extrem kurzsichtig zu glauben, dass mit Hilfe einer extremen Aufrüstung – die unvorstellbare Summe von 100 Milliarden Euro soll ausgegeben werden – Frieden und Sicherheit geschaffen werden.
Das genaue Gegenteil ist der Fall, liebe Freundinnen und -Freunde.
Für 100 Milliarden werden ja keine Jacken und Unterhosen gekauft. Es sollen zum Beispiel F35 Tarnkappenbomber angeschaffte werden, 100 Millionen Euro pro Stück. Sie dienen unter anderem dazu, dass deutsche Piloten den Einsatz der neuen Version der B61 Atombomben, die in Büchel stationiert sind, trainieren und – im Ernstfall – sie auch einsetzen. Indem in den verblendeten Augen der Strategen der Atomkrieg führbarer gemacht wird, wird das gesamte System immer instabiler.
Die 100 Milliarden sollten besser in Bildung, in den kulturellen Austausch, in friedliche Projekte der Völkerverständigung investiert werden. Und in Konzepte zur Lösung der uns gleichzeitig und immer deutlicher bedrohenden Klimakatastrophe. Dafür werden diese Mittel gebraucht, nicht für die feuchten Träume unserer Rüstungsindustrie und der jetzt entfesselten Kriegstreiber.
Der in der Ukraine tobende Krieg scheint unsere Welt schlagartig verändert zu haben. Und es drohen Alpträume wahr zu werden, vor denen wir lange gewarnt haben.
Und um das zu verhindern, liebe Friedensfreundinnen und -Freund, braucht es mutige Menschen. Die erkennen: Es gibt in dieser Situation nur eine sinnvolle Lösung. Es muss verhandelt werden und gemeinsam überlegt, wie wir aus dieser uns alle bedrohenden Spirale der Eskalation wieder herausfinden. Die Kriegstreiber auf beiden Seiten müssen Platz machen für die, die in der Lage sind, sich eine andere Welt vorzustellen und sie dann auch zu gestalten. Eine Welt, die Sicherheit nicht im Kampf gegeneinander sieht, sondern in der gemeinsamen Anstrengung aller Menschen unter dem gemeinsamen Himmel, wie ein chinesischer Philosoph das ausdrückt. Und in der die Probleme angegangen werden, die uns gemeinsam bedrohen: Die atomare Bedrohung, der Klimawandel, die gerechte Verteilung der uns bleibenden Ressourcen und die grundsätzliche Frage, wie wir als Menschen auf diesem Planeten auf Dauer und in Frieden existieren können.
Ich – und ich hoffe wir alle – weigern uns zu glauben, dass das nicht möglich sein soll, liebe Friedensfreundinnen und -Freunde.